Wie sieht eigentlich die perfekte Hochzeit aus Sicht des Fotografen aus? Die Antwort unterscheidet sich im Grunde gar nicht so sehr von der eines Gastes.
Entscheidend ist nicht, wie viel Geld das Brautpaar für eine luxuriöse Location ausgegeben hat, oder wie pompös das Kleid der Braut den Raum füllt, oder wie aufwendig und teuer Torte, Goodiebags und Tischkärtchen verziert sind …
Die perfekte Hochzeit ist die, bei der die Atmosphäre mit Liebe, Lachen und Wärme gefüllt ist. Großartige Fotos können vor egal welcher Kulisse entstehen! Das Wichtigste ist, dass die Gäste sich wohl fühlen und mich als Fotografen als natürliches Mitglied ihrer "Familie" akzeptieren. Die Feiern, bei denen ich mich voll integriert fühle, sind mir die allerliebsten, und hier sind einige meiner besten Arbeiten entstanden.
Eine solche Feier war die von Marius und Nicole. Schon lange vor der Hochzeit haben wir uns gegenseitig zu Hause besucht und bei gemeinsamen Abendessen Pläne für den großen Tag geschmiedet. Auch zu ihren Gästen konnte ich schon vorab ein tolles Vertrauensverhältnis aufbauen: Marius und Nicole haben sich für eine Destination Wedding in Amsterdam entschieden und wir haben den Tag VOR dem großen Tag alle zusammen in dieser wunderschönen Stadt verbracht. Das letzte Eis wurde dann abends an der Hotelbar gebrochen, wo nicht wenige Gäste bis spätnachts versumpften ;-) Spätestens hier war klar: Ich war als Teil der Gruppe akzeptiert und niemand dachte mehr, dass ich ja "nur" der Fotograf sei. Beste Voraussetzungen also und ich sah meiner Arbeit am nächsten Tag freudig entgegen!
Zum Glück war der "Arbeitsweg" am nächsten Morgen recht kurz. Die gesamte Hochzeitsgesellschaft war im Motel One einquartiert. Nicole und Marius haben sich ein ganz klassisches Getting Ready in getrennten Räumen gewünscht, sodass ich ein bisschen zwischen Ihren Zimmern pendeln musste. Denn natürlich sollte nicht nur die Braut sämtliche Aufmerksamkeit ganz allein auf sich ziehen. Auch Marius Vorbereitungen auf den entscheidenden Moment wollte ich in Bildern festhalten.
Ganz besonders viel Aufmerksamkeit zog dann aber doch das Brautkleid auf sich, das ich mitsamt Accessoires schön drapieren wollte. Doch nur wo? In Nicoles Zimmer herrschte dank Stylistin Chaos, sodass ich das Kleid kurzerhand "entführte". Zwar nur drei Stockwerke höher in mein eigenes, aufgeräumtes Zimmer, aber auch das hat gereicht, um mir schräge Blicke zweier unbeteiligter Hotelgäste einzubringen. Davon gekommen wäre ich eh nicht, denn das mit Glitzerpuder bestäubte Kleid hinterließ auf mir verräterische Spurern: Glitzer im Gesicht, Glitzer auf dem Anzug, Glitzer überall!
Leider konnte ich Nicoles strahlendes Gesicht nicht sehen, als sie ihr Kleid so hergerichtet fand. Denn zu diesem Zeitpunkt war ich schon mit Marius auf dem Weg, um die Gäste zu empfangen. Wann und wo Nicoles großer Auftritt stattfinden sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch ein streng gehütetes Geheimnis …
Was läge bei einem Amsterdambesuch näher als eine Grachtentour? Mit seinen 1.280 Brücken toppt die Stadt sogar Venedig. Insgesamt 165 Kanäle sorgen für eine malerische, romantische Kulisse, die wir auf dem Boot bequem an uns vorbei ziehen lassen konnten. Die Gäste staunten nicht schlecht, als wir ohne die Braut lostuckerten – panische Blicke, hektisches Getuschel … was noch niemand wusste: Für Nicoles spektakulären Einstieg in die Gracht war extra ein separater Pier direkt am Rathaus reserviert.
Einer der großen Vorteile einer Destination Wedding ist, das im Ausland zum Teil andere rechtliche Beschränkungen gelten als in Deutschland. Was könnte etwa schöner sein, als von jemandem getraut zu werden, der das Brautpaar schon seit Jahren persönlich kennt? In den Niederlanden ist das möglich. Marius Tante, die in den Niederlanden lebt, konnte ganz einfach für einen Tag das Beamtendasein beantragen und somit rechtsgültig die Trauung vollziehen. Es war zwar auch eine Standesbeamtin an Bord, diese war aber nur zur Kontrolle anwesend.
Die Grachten von Amsterdam waren nicht nur eine besondere Kulisse für die Trauung, sondern auch ein aufregendes Fotomotiv. Zwar kennen die meisten Destination Wedding Photographer sich mit ungewöhnlichen und ständig wechselnden Lichtverhältnissen aus – die ständigen Richtungswechsel des Grachtenbootes und kreuzende Brücken machten diesen Tag für mich dennoch zu einer besonderen Herausforderung. Auch der eingeschränkte Bewegungsfreiraum auf dem Deck sorgte für einige kreative Posen und Verrenkungen meinerseits, um auch ja immer der besten Winkel auf's Geschehen einfangen zu können.
Auch, wenn es schon mein dritter Besuch in der Metropole war, bescherte die Grachtenfahrt mit Marius und Nicole auch mir einen ganz neuen Blickwinkel auf die Stadt. Insgesamt waren wir sechs Stunden mit dem Schiff unterwegs. In dieser Zeit entdeckten wir zahllose wunderschöne Ecken, die perfekt waren für ungewöhnliche Fotos. Das Brautpaar hatte sich einen entspannten Nachmittag gewünscht, sodass der Zeitplan vollkommen flexibel war. Als Fotograf kann man bei so viel Freiheit wirklich nicht meckern. Der Kapitän legte mehrmals für uns am Ufer an, damit wir an Land gehen und Fotos machen konnten. Als ich für ein besonders tolles Gruppenfoto auf einer Brücke auf den Bug des Schiffes sprang, riss natürlich meine Anzughose im Schritt – mist! Egal, für ein gutes Foto kann man auch mal eine Hose opfern. Auch für ein paar Sightseeingpausen war Zeit. Dabei liefen wir sogar einem anderen Brautpaar über den Weg, mit dem wir sofort Freundschaft schlossen und für ein paar kuriose Bilder posierten. Nach zahllosen neuen Eindrücken endete die Fahrt schließlich direkt am privaten Anleger der Partylocation.
Das Amstel Boatshouse mit eigenem Pier liegt direkt an der malerischen Amstel und bietet neben einem Restaurant auch einen großen Saal mit eigener Bar. Marius und Nicole haben sich auf der Kirmes kennengelernt und griffen das Thema für die Dekoration auf. Ballons, Karusselpferde und Zuckerwatte zogen sich als roter Faden durch die gesamte Location und sorgten für ein fantastisches Ambiente.
Auf dem Gruppfenfoto durfte ich auch mit drauf. Mein Loch in der Hose wurde von der Gesellschafft gefeiert.
Bei jeder Hochzeit entführe ich das Brautpaar für ein paar Minuten von der Gesellschaft. So können sich nicht nur Braut und Bräutigam kurz entspannen und die neue, verheiratete Zweisamkeit genießen. Für mich ist das die perfekte Gelegenheit, ein paar sinnliche Sonnenuntergangsfotos zu schießen. Direkt neben dem Amstel Boatshouse liegt ein kleiner Park, der dafür mehr als perfekt ist. Auch, wenn man ein separates Hochzeitsshooting eingeplant hat, sollte man jede sich bietende Gelegenheit für ein gutes Foto nutzen. Viele Gelegenheiten sind einzigartig und was man im Kasten hat, hat man im Kasten ;-)
Ein weiterer Vorteil einer Hochzeit im Ausland: Niemand fühlt sich fremd. Nicole und Marius internationale Freunde aus Australien, Mexiko, Österreich, der Schweiz, den USA und den Niederlanden feierten glücklich ohne Sprachbarriere und schwangen ganz einfach gemeinsam mit den deutschen Gästen die Hüften.
Und ich mitten drin. Schon lange nicht mehr als der Fotograf, sondern als Teil der großen Familie. Gemeinsam mit den anderen blieb ich bis zum Schluss, half noch beim Aufräumen und schloss mich dem müden Trupp für den Rückweg zum Hotel an.
Zum Glück sollte der nächste Tag nicht zu früh beginnen: Wir hatten uns für das offizielle After Wedding Shooting den nächsten Nachmittag reserviert.
Zum Abschluss gab es natürlich noch das obligatorische Sternenbild.
Nachdem alle wieder fit waren, brach ich mit dem Brautpaar zum Nordseestrand Wijk aan Zee auf. Das Wetter hatte sich zum Vortrag grundlegend geändert und am Meer gelten sowieso ganz andere Regeln. Kaum angekommen, kämpften wir auch schon gegen die starken Windböen am Strand. Dafür belohnte uns der dramatische Himmel in kurzer Zeit mit vielen außergewöhnlichen Aufnahmen. Für einen Destination Wedding Photographer gibt es kein schlechtes Wetter, nur spektakuläre Kulissen! Noch schnell ein paar Fotos an den bunten Strandhütten, bevor es wieder zurück ins sichere Auto ging. Nochmal ein Kompliment an die beiden, dass ihr das ohne zu murren mitgemacht habt. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen!
Wie schon erwähnt haben sich Marius und Nicole auf dem Jahrmarkt kennengelernt. Darum hatten wir uns im Vorfeld erkundigt, ob vielleicht in der Nähe gerade irgendwo eine Kirmes gastiert. Zwar dauerte es eine Weile, aber mit Hilfe von Einheimischen konnten wir den Markt noch rechtzeitig finden. Kurz vor dem Abbau durften wir sogar gratis die letzte Fahrt auf dem Kraken genießen und auch der Zuckerwatteverkäufer überließ dem Brautpaar mit einem breiten Grinsen eine riesige Zuckerwatte.
Ein krönender Abschluss für die unglaubliche Hochzeit eines einzigartigen Paares. Ich danke euch nochmal von Herzen, dass ihr mich auf eure Reise zu all den schönen, intimen, lustigen, romantischen und herzlichen Momenten mitgenommen habt.